Der klagende Arbeitnehmer war bei der beklagten Arbeitgeberin seit März 2021 als Helfer beschäftigt. Am 3. Mai 2022 ging dem Arbeitnehmer die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu. Gemäß der Kündigung sollte das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Mai 20022 enden.
Der Arbeitnehmer war gemäß den Krankschreibungen wie folgt arbeitsunfähig erkrankt:
- vom 2. – 6. Mai 2022
- vom 6. – 20. Mai 2022
- vom 20. – 31. Mai 2022
Am dem 1. Juni 2022 begann sein neues Arbeitsverhältnis.
Die Arbeitgeberin weigerte sich bei diesem Sachverhalt, für die Zeit der Erkrankung Entgeltfortzahlung an den Arbeitnehmer zu zahlen. Sie begründete dies damit, dass die ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeiten nicht glaubhaft seien. Zwar stelle eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einen Beweis dafür dar, dass ein Arbeitnehmer nicht arbeitsfähig sei. Hier sei es jedoch so, dass dieser Beweis dadurch erschüttert sei, dass die Arbeitsunfähigkeit kurz vor Ausspruch begann und zum letzten Tag des Arbeitsverhältnisses endete. Auch sei der Beweiswert der Bescheinigung dadurch erschüttert, dass der Arbeitnehmer am Folgetag nach dem letzten Arbeitstag plötzlich wieder gesund sei und direkt bei seinem neuen Arbeitgeber wieder arbeitsfähig sei.
Der Arbeitnehmer erwiderte in dem gerichtlichen Verfahren, dass er ja schon vor Zugang der Kündigung krank gewesen sei (nämlich schon vor dem 3. Mai 2022). Dies ei ja auch ärztlich festgestellt worden.
Die Klage des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung nach § 3 EntFG war vor dem Arbeitsgericht und auch vor dem Landesarbeitsgericht noch erfolgreich. Die Gerichte entschieden, dass der Arbeitnehmer für den gesamten Monat Mai 2022 einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers habe.
Nicht so entschied dann aber das Bundesarbeitsgericht: Es befand, dass der Arbeitnehmer für die Zeit von 7. Mai 2022 bis 31. Mai 2022 ( während der Frist der Kündigung ) keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hatte: Der Arbeitnehmer kann danach mit der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zwar beweisen, dass er arbeitsunfähig krank ist. Der Beweiswert dieser Bescheinigung kann jedoch erschüttert werden und zwar, wenn der Arbeitgeber einen tatsächlichen Sachverhalt darlegen und bei Bestreiten auch beweisen kann, wonach eine Gesamtbetrachtung Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit gibt.
Anzustellen ist stets eine einzelfallbezogene Würdigung der Gesamtumstände.
Wenn -wie in diesem Fall- für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist Arbeitsunfähigkeiten bescheinigt werden, kann dies also dazu führen, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeiten erschüttert ist.
Hier ist zu berücksichtigen, dass die Krankheit (AU) bereits vor Zugang der Kündigung bestand. Somit ist eine zeitliche Koinzidenz zwischen Beginn der Arbeitsunfähigkeit und dem Zugang der Kündigung -3. Mai 2022 – nicht gegeben.
Für die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Zeitraum 7. Mai 2022 bis 31. Mai 2022 ist der Beweiswert jedoch erschüttert. Der Arbeitnehmer konnte hier mittels seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht nachweisen, dass er tatsächlich nicht arbeitsfähig war. Auch spricht gegen die Arbeitsunfähigkeit, dass der Arbeitnehmer direkt am 1.Juni 2022 wieder gesund war und seiner neuen Beschäftigung nachgehen konnte.
Der Arbeitnehmer hat die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er tatsächlich arbeitsunfähig ist.
Hier hatte der Arbeitnehmer den Beweis nur teilweise erfolgreich führen können. Für die Zeit von 7. Mai 2022 bis 31. Mai 2022 konnte er im Rahmen der Gesamtabwägung den Nachweis nicht erbringen. Für diesen Zeitraum hatte er hier also keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. So entschied das Bundesarbeitsgericht.