Die Beklagte warf dem Arbeitnehmer hier vor, Arbeitszeitbetrug begangen zu haben. Zumindest bestehe der Verdacht. Somit sprach sie gleich mehrere Kündigungen aus.
Im Einzelnen:
Der Arbeitnehmer war bei der Beklagten seit Sommer 2008 als Physiotherapeut beschäftigt. Er hatte eine schwere Sehbeeinträchtigung und den Grad der Schwerbehinderung von 100.
In der Zeit seiner Beschäftigung nahm der Arbeitnehmer dann noch eine Nebenbeschäftigung bei einer Schwestergesellschaft der Beklagten auf. (Die Beklagte gehört zu einer Holding.)
Dort arbeitete er in der Woche sechs Stunden.
Bei der Beklagten arbeitete er hingegen in Vollzeit. Bei ihr war er verpflichtet, zu Beginn, bei Unterbrechungen, sowie bei Ende der Arbeitszeit eine Stempeluhr der Beklagten zu betätigen. So sollte die Arbeitszeit des Arbeitnehmers dokumentiert werden. Bei der Schwestergesellschaft, wo er geringfügig beschäftigt war, sollte er seine Arbeitszeit auch dokumentieren.
Nun war es so, dass der Arbeitnehmer erst bei der Beklagten, dann bei der Schwestergesellschaft in der Zeit von 10.00 Uhr bis 12:00 Uhr arbeitete. Später kam er dann zurück zu der Beklagten und arbeitete dort. Seine Arbeitszeit bei der Beklagten wurde also durch die Arbeit bei dem anderen Unternehmen unterbrochen.
Bei der Beklagten kam nach einiger Zeit der Verdacht auf, dass der Arbeitnehmer sich nicht ausstempelte, wenn er vormittags zu dem anderen Unternehmen ging um dort zu arbeiten.
Sie hielt Rücksprache mit ihrem Schwesterunternehmen (wo der Arbeitnehmer ja eben auch arbeitete). Ein Abgleich der Zeiten bestätigte diesen Verdacht.
Daraufhin unternahm die Beklagte einiges, um die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer vorzubereiten:
Da der Arbeitnehmer ja schwerbehindert war, beantragte sie beim zuständigen Integrationsamt die Zustimmung zur fristlosen auch der ordentlichen Kündigung. Sowohl für eine Verdachts- wie auch eine Tatkündigung beantragte sie die Zustimmung.
Da die Beklagte einen Betriebsrat und auch eine Schwerbehindertenvertretung hatte, hörte sie diese sowohl für die fristlosen, wie auch die ordentlichen Kündigungen an.
Das Integrationsamt stimmte den Kündigungen zu. Dagegen erhob der Arbeitnehmer Widerspruch. Der Widerspruchsausschuss hingegen versagte die Zustimmung zur Kündigung.
Dagegen erhob die Beklagte Anfechtungsklage. Eine Entscheidung lag noch nicht vor.
Sowohl der Betriebsrat, wie auch die Schwerbehindertenvertretung stimmten einer Kündigung nicht zu.
Die Beklagte sprach dann am 28.03.2014 folgende Kündigungen aus:
- Kündigung, fristlos, hilfsweise ordentlich wegen des Verdachts, Arbeitszeitbetrug begangen zu haben
- Kündigung, fristlos, hilfsweise ordentlich wegen des Begehens einer Tat (Tatkündigung)
Auch die Schwestergesellschaft der Beklagten sprach am selben Tag die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.
Der Arbeitnehmer erhob gegen die Kündigungen der Beklagten dann mit Hilfe seines Anwalts Kündigungsschutzklage vor dem zuständigen Arbeitsgericht.
Auch als der Arbeitnehmer (nun Kläger) am 11.04.2014 weitere Kündigungen der Beklagten erhielt, erweitere sein Anwalt die Kündigungsschutzklage entsprechend.
Das Landesarbeitsgericht kam zu dem Ergebnis, dass die Kündigungen vom 28.03.2014 unwirksam sind.
Die fristlosen Kündigungen waren unwirksam, da kein wichtiger Grund gemäß § 626 BGB vorlag. Zwar lag „an sich“ ein wichtiger Grund für den Ausspruch einer Kündigung vor.
Trotzdem war der Beklagten zuzumuten, den Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Deshalb waren die fristlosen Kündigungen unwirksam.
Aus diesem Grund waren auch die fristlosen Kündigungen vom 11.04.2014 unwirksam.
Die ordentlichen Kündigungen vom 28.03.2014 waren auch unwirksam.
Wirksam war jedoch die ordentliche Kündigung vom 11.04.2014. Zwar war noch unklar, ob das Verwaltungsgericht über die Anfechtungsklage der Beklagten entscheiden würde, maßgeblich war hier aber, dass die Versagung der Zustimmung zur Kündigung durch das Integrationsamt noch nicht rechtskräftig war.
Das Arbeitsverhältnis endete somit mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30.06.2014.
Vgl. Urteil des Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 16.04.2015 Az.: 5 Sa 701/14